Extra breite Sitze mit mehr Beinfreiheit in der Leverkusener BayArena. Daneben die üblichen Sitzschalen.
Bild: Paffi

Demografischer Wandel – ohne den Fußball?Link zum Beitrag in Gebärdensprache

Zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen am 03.12. werfen wir einen Blick auf eine noch wenig beachtete, aber rasant wachsende Gruppe von Menschen mit Behinderung im Fußball: dauerhaft oder temporär mobilitätsbehinderte Menschen. Besonders jene, die keine Rollstuhlnutzer*innen, und solche die nicht sehbehindert oder hörbehindert sind.

28 Millionen Menschen gelten als mobilitätsbehindert

Denn: rund ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland, also etwa 28 Millionen Menschen, gelten als mobilitätseingeschränkt. Zu ihnen zählen nicht nur Rollstuhlnutzer*innen, sondern auch Menschen mit dauerhaften oder zeitweisen Gehbehinderungen. Sie nutzen beispielsweise alters- oder gesundheitlich bedingt Rollatoren oder Krücken und haben Schwierigkeiten beim Treppensteigen. Als in ihrer Mobilität eingeschränkt im weiteren Sinne gelten aber auch Menschen aufgrund des Mitführens von Gegenständen (wie Kinderwagen oder schwerem Gepäck).

Vor allem da unsere Gesellschaft immer älter wird, steigt auch der Anteil von mobilitätsbehinderten Menschen immer schneller. Deshalb wird auch die Bedeutung einer barrierefreien Gestaltung der Stadien und Vereinseinrichtungen im Fußball für diese Gruppe immer wichtiger, wenn wir nicht wollen, dass sie ausgegrenzt werden. Doch was kann der Fußball da konkret tun oder was tut er bereits?

Plätze für Rollstuhlnutzer*innen im Stadion sind nicht Alles

Die sichtbarsten Plätze für mobilitätseingeschränkte Menschen in einem Bundesliga-Stadion sind die Rollstuhlplätze. Bisher erfüllt zwar immer noch kein einziges Stadion im Profifußball auch nur den empfohlenen Mindeststandard nach Vorgaben der Muster-Versammlungsstättenverordnung und Empfehlungen der DFL und der Bundesbehindertenfanarbeitsgemeinschaft (BBAG). Danach sind mindestens 0,5 % der Stadionkapazitäten in allen Bereichen als Rollstuhlplätze vorzusehen. Immerhin sind Rollstuhlplätze an sich aber mittlerweile in allen Stadien der ersten beiden Fußballligen etablierter Standard.

Ganz anders sieht es jedoch mit Angeboten für anderweitig mobilitätseingeschränkte Zuschauer*innen aus. Für Menschen, die temporär oder dauerhaft Krücken oder Rollatoren nutzen oder Assistenzhunde mitführen, gibt es in der Regel selten ein öffentlich bekanntes Platzangebot beim Stadionbesuch. In den meisten Vereinen werden diese Zuschauer*innen bisher nur nach individueller Anfrage versorgt – und dann meist zusätzlich in den ohnehin knappen Rollstuhlbereichen untergebracht.

Ein paar wenige Vereine gehen aber in der deutschen Stadionlandschaft auch hier mit neuen Lösungen voran: so führte Bayer 04 Leverkusen als erster Bundesligist bereits vor Corona Abstellräume für Nutzer*innen von Rollatoren im Stadionumlauf ein. Seit vergangenem Jahr gibt es in Leverkusen nun auch offiziell ausgewiesene Vorzugssitze im heimischen Stadion. Diese sind auch online für alle buchbar. Ein ähnliches Angebot gibt es seit neuestem auch bei Fortuna Düsseldorf. Auch der FC St. Pauli bietet Sitzplätze mit stufenlosem Zugang auf der Haupttribüne nahe der Rollstuhlplätze an.

Das Angebot des FC St. Pauli soll infolge eines Mitgliederantrags nun in naher Zukunft auf alle Stadionbereiche ausgeweitet werden. Ebensolche Pläne zur zeitnahen Einrichtung von Vorzugssitzplätzen auf allen Tribünen gibt es derzeit im Olympiastadion Berlin.

Vom Bedarf her denken – ein Stadion hat vier Tribünen

Denn ob dauerhaft auf Gehhilfen angewiesen oder zeitweise mit Kleinkind unterwegs: die meisten mobilitätsbehinderten Menschen benötigen sehr ähnliche Angebote für eine barrierefreie Teilhabe. Dazu gehören möglichst stufenlose Zugänge und Aufzüge zu allen Stadionbereichen, Handläufe, sichere Abstellflächen für Hilfsmittel, vereinfachte Zugänge zu Services wie Catering und Sanitäreinrichtungen mit höhenverstellbaren Toiletten und Haltegriffen. Und, generell essenziell aber oft vernachlässigt: für alle verständliche und leicht auffindbare Informationen und Beschilderung zu entsprechenden Angeboten.

All diese Services ermöglichen es Stadionbesucher*innen unabhängig von z.B. zeitweise oder altersbedingt einsetzenden Mobilitätsbeeinträchtigungen, weiterhin gemeinsam das Spiel im Stadion mit ihrer jeweiligen sozialen Bezugsgruppe sehen zu können.

Diese Herstellung von freien Wahlmöglichkeiten für alle Menschen, in diesem Fall vor allem bei der Sitzplatzwahl im Stadion, ist im Übrigen ein wesentliches Merkmal von Inklusion. In Bezug auf die Teilhabe für Menschen mit Behinderung im Stadion fordern deshalb auch die UEFA und CAFE in ihren Leitlinien „Zugang für alle”, dass sowohl ausgewiesene Rollstuhlplätze als auch Vorzugssitzplätze und alle anderen Services für Menschen mit Behinderung auf möglichst allen Tribünen und Rängen zu gewährleisten sind. Statt sie – wie bisher hierzulande noch die Regel – auf separierte Blöcke in nur einem Stadionbereich zu beschränken.

Weiterführende Links & passende Artikel zum 03.12. aus dem Fußball:

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