DFB-Logo in Regenbogenfarben auf einer Plakatwand. Davor versammelten sich Fans, die sich gegen Homophobie im Fußball engagieren.
Foto: Thomas Boecker/DFB,  Frankfurt am Main, 18.07.2019

„Klar ist, dass die Arbeit des Projekts nach den anderthalb Jahren nicht zu Ende ist“Link zum Beitrag in Gebärdensprache

Am 01. Januar 2021 hat die vom DFB eingerichtete zentrale Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt ihre Arbeit aufgenommen. Wir haben mit Christian Rudolph von der neu gegründeten Anlaufstelle über seine Aufgaben gesprochen.

Der DFB hat eine zentrale Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt gestartet. Wie kam es zur Gründung der Anlaufstelle?
Aus der LSBTI+ Community und auch aus verschiedenen Fanorganisationen, wie Fußballfans gegen Homophobie, Queer Football Fanclubs oder F_in Netzwerk Frauen im Fußball gab es schon seit vielen Jahren die Forderung nach einer solchen Anlaufstelle. Fritz Keller setzte sich als DFB-Präsident schnell für die Schaffung einer solchen Anlaufstelle ein, so dass es letztlich zügig zu einer Umsetzung kam. Zuvor wurde mit dem DFB noch die Ausrichtung der neuen Anlaufstelle verhandelt, die nun unter der Trägerschaft des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) geschaffen wurde.

Du hast in den vergangenen Jahren schon zu Vielfaltsthemen im Fußball gearbeitet. Welche Erfahrungen bringst du in die neue Anlaufstelle mit ein?
Über meine hauptberufliche Arbeit im Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg im Projekt Soccer Sound und meine ehrenamtliche Tätigkeit im Lesben- und Schwulenverband Deutschland als Bundesvorstand, besteht eine über 10-Jährige Anbindung an die LSBTi+ Community. Als Fan von Tennis Borussia Berlin bringe ich Erfahrungen aus der Fanszene und dem Vereinswesen mit. Beim Berliner Fußball-Verband agiere ich als Ansprechpartner für Vielfalt. Und nicht zuletzt durch jahrelange Arbeit an der „Fußballfans gegen Homophobie“-Kampagne bin ich mit für die Anlaufstelle relevanten Themen vertraut und mit verschiedenen Personen vernetzt.

Am 01. Januar 2021 hat die Anlaufstelle ihre Arbeit aufgenommen. Was sind die ersten Aufgaben, die es zu bewältigen gibt?
Zu Beginn steht erst Mal die Bekanntmachung der Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, die Mitte Dezember 2020 gestartet ist. Nun ist die Stelle im Aufbau und eine entsprechende Homepage wird erstellt. Außerdem planen wir die Gründung eines Fachkreises mit Expert*innen aus der LSBTI+ Community und Personen aus dem organisierten Fußball, der Wissenschaft, der Medienlandschaft und der Fanszene. Durch diesen Austausch sollen auch konkrete Ergebnisse erzielt werden. Auf dem Gebiet der geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt passiert im deutschen Fußball aktuell schon viel, die Aufgabe der Anlaufstelle wird es auch sein, dass diese kleinteilige Arbeit zusammengeführt und im Großen und gemeinsam sichtbar gemacht wird. Ein Projekt, das bereits in diese Richtung ging, war die #SportPride2020–Kampagne.

Wir bei KickIn! verstehen Inklusion ganzheitlich, als eine Leitidee für ein Konzept menschlichen Zusammenlebens ohne Barrieren und Ausgrenzung, unabhängig ob aufgrund von Herkunft, Geschlecht / Gender, Alter, sexueller Orientierung, Religion oder Behinderung. Warum ist es deiner Meinung nach so wichtig, weiterhin Bewusstsein für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu schaffen?
Weil die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Fußball vielfach noch nicht adäquat sichtbar ist, sowohl auf Ebene der Sportler*innen im Amateur- und Profibereich, als auch in den Gremien und Geschäftsstellen der Vereine und Verbände. Hier ist, wie in anderen Teilen der Gesellschaft auch, noch viel möglich. Neben der Bekämpfung von Rassismus und Homophobie gibt es in England im Profifußball beispielsweise auch Ansätze, um auf das Problem von Transphobie hinzuweisen. Ein Thema, das im deutschen Profifußball bisher noch nicht allzu präsent ist.

Mir ist es aber auch wichtig, nicht nur festzustellen, wo Veränderungen vorerst an Grenzen stoßen, sondern auch in den Blick zu nehmen, wo Verbesserungen konkret möglich sind. Leuchtturmprojekten können dann Vorbildcharakter haben und Anstoß für weitere Projekte sein.

Der Berliner Fußball-Verbandes (BFV) hat trans*, inter* und nicht binären Personen, als erster Unterverband des DFB das Spielrecht angepasst und damit die Teilhabe am Ligabetrieb bis zur höchsten Spielklasse des BFV, ermöglicht und dadurch einen Ausgrenzungsmechanismus abgebaut. Dies sollte nun ein Positivbeispiel für die restlichen 20 Landesverbände sein, die mit Hilfe des BFV und der Anlaufstelle ebenfalls Schritte in diese Richtung machen können.

Bei KickIn! liegt unser Schwerpunkt als Beratungsstelle für Inklusion im Fußball vor allem im Bereich des Profifußballs in Deutschland. Wie werden sich die Aufgaben der neuen Anlaufstelle auf den Profi- und Amateur-Bereich aufteilen?
Im Profifußball gibt es, im Vergleich zum Amateurbereich, ganz andere finanzielle Ressourcen. Unser Fokus liegt mehr auf dem Amateurbereich und die Unterstützung des Ehrenamts. Gerade im Jugendbereich nehmen Multiplikator*innen, wie Trainer*innen eine wichtige Rolle ein, die durch Schulungen und Weiterbildungen für Vielfaltsthemen sensibilisiert werden können und direkten Einfluss, beispielsweise auf die Sprache in einer Mannschaft, haben. Der Profibereich ist in der Vorbildfunktion, die er in der Öffentlichkeit einnimmt, jedoch ebenfalls ein wichtiger Baustein. Auch durch die dortigen finanziellen Möglichkeiten könnte eigentlich noch viel mehr passieren. Kaum auszudenken, was alles möglich wäre, wenn die Profivereine in Deutschland nur ein Prozent ihrer Umsätze für soziales Engagement und inklusive Projekte ausgeben würden.

Hat der DFB mit dem Angebot von Unisex-Toiletten bei Pokal- und Länderspielen ein solches Leuchtturmprojekt mit Vorbildcharakter im deutschen Fußball vorangetrieben und sollten Clubs und Stadionbetreiber*innen dem Verband in diesem Bereich folgen?
Die Einführung von All Gender-Toiletten, wie sie bereits aus Transportmitteln und Teilen der Gastronomie bekannt sind, ist sicherlich ein Beispiel für eine konkrete Verbesserung, die ohne viel Aufwand, Kosten oder große bauliche Veränderungen in fast allen Stadien umzusetzen wäre, wenn der Wille dafür da ist. Die Einführung von Spielberechtigungen für trans*, inter* und nicht binäre Personen in weiteren Landesverbänden muss dagegen innerhalb der jeweiligen Verbände jeweils verschiedene Hürden nehmen, was mehr Zeit in Anspruch nehmen kann.

Als KickIn bearbeiten wir teils ähnliche Themen, wenn auch aus einer anderen Ecke. Wie könnte die Zusammenarbeit zwischen KickIn! und Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt aussehen?
Langfristig sollte eine zentrale Anlaufstelle Diskriminierungsschutz im deutschen Fußball geschaffen werden, an die sich alle Personen wenden können, die Diskriminierung erfahren, egal ob wegen des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, Behinderung, Alter, sozialer Schicht, Religion oder Herkunft. Die Arbeit von Projekten, wie KickIn! und jetzt auch von der zentralen Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt sind wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer solchen zentralen Anlaufstelle Diskriminierungsschutz.

Viele Vereine, Fanorganisationen, Fanclubs, Gruppen und Initiativen positionieren sich schon seit Jahren gegen Homo- und Transphobie. Warum ist das Engagement von Fans und Clubs auch nach Einrichtung der Anlaufstelle weiterhin von Bedeutung?
Das eine ersetzt das Andere ja nicht. Die Queer Football Fanclubs bei den jeweiligen Vereinen haben weiterhin den engen Draht und den kurzen Weg bei ihrem Verein und in der jeweiligen Fanszene. Als Anlaufstelle können wir Impulsgeber sein, Hilfestellung geben und über Erfahrungen, die an anderer Stelle gemacht wurden, berichten und so für einen Wissenstransfer sorgen. Die Clubs werden auch in Zukunft diejenigen sein, die die Masse an Leuten erreichen, womit natürlich auch weiterhin eine Verantwortung einhergehen wird. Diese Verantwortung ergibt sich auch schon aus der Gemeinnützigkeit des Sport, der in Deutschland ja auch gefördert wird.

Die zentrale Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt ist als Pilotprojekt zunächst auf 18 Monate angelegt. Wie sollte eine solche Anlaufstelle dauerhaft etabliert werden?
Die Finanzierung ist aktuell zunächst für 18 Monate sicher. Klar ist, dass die Arbeit des Projekts nach den anderthalb Jahren nicht zu Ende ist. Eine dauerhafte Etablierung der Anlaufstelle, am besten im Rahmen einer zentralen Anlaufstelle Diskriminierungsschutz im deutschen Fußball, sollte auf alle Fälle erfolgen, um nachhaltig arbeiten zu können.

Wie können Fans, Vereine, Verbände und weitere Teile der Fußballfamilie mit dir und der Anlaufstelle in Kontakt treten?
Unsere Webseite befindet sich, wie anfangs erläutert, aktuell im Aufbau. Aber schon jetzt bin ich über christian.rudolph@lsvd.de auch für Anliegen zur Anlaufstelle erreichbar.


Logo der Reihe KickOn @Home - ein schwarz-weißes Sofa mit einem Mann mit Fähnchen und Fußball in Seitenlage, darunter der Text "KickOn @Home"

Veranstaltungshinweis:

Rund um den 27. Januar 2021 organisiert die Initiative „!Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“ zum 17. Mal den gleichnamigen Erinnerungstag. In diesem Jahr wird Menschen gedacht, die in der Zeit des Nationalsozialismus und darüber hinaus aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität verfolgt und diskriminiert wurden. Im Rahmen unserer virtuellen KickOn@Home-Veranstaltungsreihe werfen wir in Kooperation mit Queer Football Fanclubs (QFF) und dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) einen Blick auf die queere Sporthistorie der letzten 40 Jahre und diskutieren gemeinsam mit Vertreter*innen schwul-lesbischer Sportvereine, sowie Fanvertreter*innen über mögliche Entwicklungen. Hier gibt es weitere Informationen zum „40 Jahre queere Sporthistorie“-Talkabend.

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